In der vorletzten Woche kamen dann auch die Flüchtlinge aus der Ukraine in die Gemeinde nach Helsinki. Mit Hilfe von engagierten Menschen konnten wir zwei geflüchteten Familien eine Wohnung zur Verfügung stellen. Innerhalb von kürzester Zeit wurde durch Spenden die ganze Einrichtung von der Mitarbeiterschaft zusammengetragen und in die Wohnungen gebracht. Es wurde in einer Blitzaktion ein richtig schönes Heim. Dort können sie jetzt erstmal sein, bis sie wissen wie es weiter gehen wird.

Und ich musste im Zuge dessen über unsere Arbeit als Pfarrpersonen nachdenken. Wir haben hier einige Zeit aufgebracht, um auf die Busse und Flüge zu warten – um Ihnen ein möglichst gutes Ankommen zu ermöglichen. Ich treffe die Familie auch noch weiterhin und versuche mich mindestens einmal alle zwei Tage bei Ihnen zu melden. Die Arbeit mit Menschen oder die Arbeit am Mitmenschen. Ist es nicht eigentlich das, was der Mittelpunkt unserer pastoraler Arbeit sein sollte? Menschen treffen, Menschen begleiten und einfach da sein. Ein Mitmensch für den Anderen sein. Einer anderen Familie aus der Ukraine verhalfen wir zur Weiterreise in ihr Zielland. Fast einen ganzen Tag verbrachten wir zusammen. Als ich eine Weile mit Ihnen unterwegs war, fragten sie mich: “Musst du nicht arbeiten und was anderes tun?” und im Luxus meines Spezialvikariates konnte ich ihnen antworten: “Nein! Das hier ist meine Arbeit!”

Pfarrerinnen und Pfarrer werden in Deutschland von ihrer Kirche alimentiert. Es wird im Sinne des Alimentationsprinzips von ihrem Dienstherrn, der jeweiligen Landeskirche, für sie gesorgt. Besonders prägend ist mir der Satz meines Professors hängengeblieben, als er einmal gesagt hat: “Weshalb denkt ihr, bekommen wir Pfarrerinnen und Pfarrer am Anfang des Monats Gehalt?” Seine Antwort ging dann in die Richtung, dass wir durch das Gehalt am Anfang des Monats die Freiheit bekommen um für die Menschen da zu sein. Wir brauchen nicht erst für unseren Lohn zu arbeiten, sondern wir bekommen den Lohn im voraus um frei zu sein für die Begegnung mit Menschen und frei zu sein für unsere pastorale Arbeit. Diese Antwort fand ich damals sehr beeindruckend (und finde ich immer noch). Denn das hieße konzequenterweise, dass Pfarrerinnen und Pfarrer nicht für eine gewisse Leistung entlohnt werden, sondern für ihr Lebensunterhalt gesorgt wird, damit sie ihre Zeit wichtigeren Dingen als der Lohnarbeit widmen können. – Zeit für Begegnung. Zeit für den Dienst am Menschen und an Gott.

Wir werden also regelrecht bezahlt dafür frei zu sein für…

Diese Denkweise finde ich äußerst charmant, gerade in der heutigen Zeit, in der alles gegeneinander aufgerechnet wird. Das – Wieviel muss ich arbeiten um wieviel Lebensunterhalt zu bekommen? – würde dann entfallen. Arbeitszeitenregelungen sind in diesem Denken nicht vorgesehen. Denn meine Zeit ist frei. Und was zunächst fantastisch klingt: Das “Ich habe Zeit und bin frei mich um die Menschen zu kümmern” birgt die Gefahr der Überforderung mit sich. Wieviel Zeit räume ich denn eigentlich den Dingen ein? Wieviel Zeit für meine Mitmenschen? Wieviel Zeit für Gott und seine Schöpfung? Wieviel Zeit für meine Familie und wieviel Zeit schlussendlich für mich? Und in welcher Gewichtung ordne ich diese Zeiten?

Gerade als Mutter mehrerer kleiner (und mittlerweile schon etwas größerer) Kinder fällt mir diese Entscheidung dann doch nicht so leicht. Die Freiheit des Zeithabens – und dann gibt es soviel zu tun! Als angehende Pfarrerin – als Mutter – als Privatperson. An so vielen Orten könnte ich sein! Da ertappe ich mich dann trotz all der Freiheiten machmal dabei, dass ich mich nach einer Arbeitszeitenregelung sehne. Nach einer Regelung, die mich in meiner Freiheit einschränkt und mir ganz klare Vorgaben gibt, wie wann was zu tun ist. Und wann es halt auch nicht zu tun ist! Wann ich frei habe vom Freihaben…

…und dann erkenne ich: “HALT – STOP: Das kann auch nicht der richtige Weg sein!”