Mein Spezialvikariat in Finnland

Category: Finnland

Finnland – Schweden – Dänemark und zurück!

Und jetzt war ich vielleicht eine ganze Weile leise hier auf dieser Seite…. Soviel habe ich erlebt und soviel war ich unterwegs. Da war die Auslandspfarrkonferenz in Höör, in der die Auslandspfarrer*innen der EKD-Gemeinden von Nord- West- und Osteuropa mit ihren Familien zusammen kamen. Es war für mich sehr spannend mitzuerleben, wie unterschiedlich doch jede einzelne Auslandsgemeinde ist. Jede Gemeinde hat sich seinen eigenen Aufgaben und Herausforderungen in ihrem je eigenen Land zu stellen. Spannend war auch die Diskussion über Sinn und Ziel der Auslandspfarrstellen. Wann wird eine Auslandspfarrstelle eingerichtet? Welche Ziele verfolgt sie und wann ist wieder der Zeitpunkt gekommen, eine deutsche Gemeinde im Ausland als nicht mehr notwendig anzusehen? Und kann man das überhaupt? Solche und andere Fragen wurden zwar nur am Rande diskutiert, haben mich aber fasziniert und über viel über das Auslandspfarramt nachdenken lassen. Interessant waren auch die Vorträge über das schwedische und dänische Kirchensystem, das dem finnischen zwar ähnlich aber dann doch wieder ganz anders ist: Gerade das schwedische Kirchensystem hat mich durch die klare Arbeitszeitenregulierung und hierarchische Ordnung als angehende Pfarrerin sowohl fasziniert als auch abgeschreckt. Ich finde ja eine Trennung von Beruflichem und Privaten sehr wichtig und sehe deshalb in dem arbeitszeitengeregelten Pfarrberuf einen Reiz. Wenn dass aber auf der anderen Seite bedeutet, dass genau vorgegeben ist, wieviel wir für die Vorbereitung und Durchführung unserer Arbeitsschritte (für Planung und Durchführung eines Gottesdienstes, für Seelsorgegespräche und Kasualgottesdienste) benötigen dürfen, dann verliert es doch wieder enorm an Reiz. Wir blieben aber nicht nur im Theoretischen, sondern nutzten auch zwei Tgae um die Kirchengemeinden in Malmö und Kopenhagen zu besichtigen.

Angereichert mit vielen neuen Denkanstößen und Impulsen machte ich mich mit unserem EKD-Pfarrteam aus Finnland von diesen vier Tagen in Höör, Malmö und Kopenhagen zurück auf den Heimweg. Wie auch auf dem Hinweg nahmen wir nicht die schnellste Route mit dem Flieger, sondern nutzten den Seeweg. Schon erstaunlich, wie einem die Weite und Länge der Entfernung auf See viel bewusster wird. Und auch wurde mir der Unterschied zwischen Südschweden und Südfinnland nochmal klarer: Dort war alles in ein sattes grün getaucht, stärker besiedelt und irgendwie hatte es so eine liebliche Ausstrahlung. Und hier? – als ich dann morgens an Deck ging, dachte ich: “Ja – ich bin wieder in Finnland!” Hier ist alles ein wenig rauer, felsiger, und ruhiger und weiter entfernt.

Zuhause angekommen aber hieß es nicht ausruhen und das Erlebte sortieren und verarbeiten. Nein – so richtig Pfarrer*innenlike fuhren der Pastor unsere Jugendleiterin, unser Diakon, ich, 18 Konfirmanden und weitere 10 Teamer*innen (hier in Finnland Isoset genannt) nur 4 Stunden nach Ankunft auf eine finnische Insel für eine 6-tägige Konfirmandenfahrt. Ja! – ihr habt richtig gelesen: 6 Tage Konfirmandenfreizeit. Und das ist für finnische Verhältnisse noch eine recht kurze Fahrt.

Und so machte ich mich auf ein Neues auf und genoss die Weite Finnlands!

Zeit für den Frühlingsputz

Es ist Frühling in Helsinki. Die Straßen werden von den Kehrmaschinen gesäubert. Der ganze Split des Winters wird zusammengekehrt und weggebracht. Die Parks werden gereinigt. Die Blätterhaufen zusammengetragen, um sie zu entsorgen.


Wann gibt es in unserer Kirche mal einen Frühlingsputz? Daran musste ich denken, als ich mich heute in Diskussionen wieder mal in das finnische Kirchensystem eingearbeitet habe, das doch von dem Deutschen in so Vielem unterschiedlich ist. Ich habe das Gefühl in der Kirche in Deutschland steht ein Frühlingsputz an. Nicht nur steht er an, eher sind wir als Kirche vielleicht schon seit längerem dabei einen Frühlingsputz durchzuführen. Altlasten werden entsorgt: Dinge, die liegen geblieben sind und heute einfach keinen Sinn mehr haben. Wie von Baum gefallene Blätter, werden veraltete Strukturen zusammengekehrt, um sie zu entsorgen. Um Platz zu schaffen für eine neue Struktur und die Wiese und die Wege schön begehbar zu machen. In Bezug auf die Kirche stellt sich dann natürlich die Frage, was diese Blätter sind, was muss überarbeitet werden und was aufgegeben werden sollte, damit Energie und Platz für Neues da ist. Diese Frage zu beantworten ist nicht immer einfach und braucht viel Kommunikation. Das sehe ich gerade in den deutschen Gemeinden, in denen einschlägige Veränderungen anstehen: Obwohl wir wissen, warum die Sachen verändert werden, fällt es uns zuweilen doch sehr schwer, die Schritte tatsächlich einzuleiten.

Dabei tut frischer Wind doch gut…

Die Alepafahrräder und E- Roller werden in Helsinki wieder aufgebaut und rausgestellt.
Nach dem Frühlingsputz für die City, kann man sich nun mit neuer Energie aufs Fahrrad schwingen. Hier in Helsinki gibt es eine Werbung für die diese mietbaren Citybikes: “Nyt on varma kevään merkki! Kaupunkipyörät palaavat” was soviel heißt wie “Jetzt ist ein sicheres Zeichen für den Frühling! Citybikes sind zurück!”

An vielen Ecken in Helsinki gibt es eine Station um sich diese Fahrräder zu leihen. Man kann kurze Zeit damit fahren und sie an der nächsten Ecke wieder anschließen und für andere Passanten zurück lassen. Auf langatmige Kaufangebote eines eigenen Fahrrads kann so verzichtet werden. Ich brauche mir keine Gedanken darüber zu machen, welches Fahrrad für mich das Richtige ist. Ich habe hier ein einfaches Angebot an einem simplen Fahrrad, auf dem ich für eine Weile fahren kann. Das reicht vollkommen.

Und auch diese Beobachtung bringt mich an diesem Morgen zum Nachdenken über die Kirche in Deutschland: Vielleicht ist es ja das, was wir als Kirche brauchen: Ein City-Bike-Angebot… Ein Angebot in der Kirche, das nicht lebensänglich gedacht werden muss, sondern einfach auch mal nur bis zur nächsten Ecke. Die Eintrittsschwelle sollte möglichst niedrig gehalten werden. Ein Angebot, dass nicht auf Dauer der Menschen und ihrem konstanten regelmäßigen Besuch aus ist, sondern Aktionen und Veranstaltungen, die offen sind, für je andere und neue (oder halt auch bekannte) Gesichter. Vielleicht gibt es in der Kirche wie bei den Citybikes dann auch mal Zeiten, in denen sie mehr gebraucht wird. Zeiten, in denen häufig das Angebot genutzt wird. Das muss aber umgegkehrt nicht heißen, dass sie in den anderen Zeiten keine Rolle spielt. Wie auch ich durch die Stadt laufe und mich täglich dieser Fahrräder erfreue, die ich jeder Zeit nutzen könnte, so ist meiner Meinung nach die Sichtbarkeit der Kirche gerade auch in der heutigen Zeit von großer Bedeutung. Ich sehe sie, ich lese ihr Angebot und freue mich darüber, daran teilnehmen zu können, wenn ich möchte.

Und das tolle an den Fahrrädern ist ja: Sie sind umweltfreundlich. Sie schaden niemandem, halten einen selbst fit und lassen frischen Wind um die Ohren pfeifen…

Ein Gebet für den Frieden

“Es ist Krieg. Russland hat die Ukraine angegriffen.”

Mit diesen Worten beginnt unser Friedensgebet in der deutschen Gemeinde in Helsinki, das jeden Tag um 12 Uhr für ein paar Minuten des Innehaltens Menschen zusammenkommen lässt. Es ist keine große Zusammenkunft, und doch finden sich von Montag bis Freitag eine Handvoll Menschen (oder mehr), um ihre Sorgen und Wünsche vor Gott zu bringen. Zehn Minuten für den Frieden!

Ich habe das Gefühl, dass sich gerade hier in Finnland die Menschen ihres östlichen Nachbarns auf eine besondere Weise bewusst sind. Mit einer ca. 1430 km lange Grenze zu Russland, handelt es sich um die längste Staatsgrenze ihres Landes. Es ist also nicht das entfernte Russland, sondern das direkte Nachbarland.

Ich wurde letztens von einem Bekannten aus Deutschland gefragt, ob der Krieg hier wegen der direkten Nachbarschaft zu Russland den Menschen mehr Angst einjagt. Das kann ich so natürlich nicht beantworten. Mir scheint aber als seien die Menschen wachsam, denn sie verbindet eine lange Geschichte mit ihrem Nachbarland.

Krieg in der Ukraine also – so weit weg und doch so nah. Es geht uns alle an.

Was können wir tun? Diese Frage beschäftigt die Menschen hier. Und auch die Konfirmanden haben sich im Rahmen ihres Konfisamstages Gedanken darüber gemacht. Wie können wir helfen für die Menschen in der Ukraine? Spenden! Und diese werden auf vielfältige Weise gesammelt. So zeigt die Homepage der Gemeinde Adressen für Spendenmöglichkeiten auf, die das Bistum Porvoo extra für Ihre Gemeinden erstellt hat. Beten, haben sie auch genannt, die Konfirmanden! Beten für den Frieden!

Und das tun wir hier. Als Spezialvikarin habe ich momentan die Zeit, fast täglich diesen Gebeten beizuwohnen. Einen Moment Stille und Zeit für den Frieden, der mir bisher doch immer viel zu selbstverständlich erschien.

ein Friedensgebet auch für den Frauenkreis der Gemeinde

Und so sitze ich mit Menschen vor den Altarstufen und bitte um Frieden in der Welt.Wir beten gemeinsam. Wir schweigen gemeinsam. Manchmal frage ich mich ja, ob es wirklich was bringt – das Beten?

Denn was müsste überhaupt passieren, dass sich Friede einstellt? Ich weiß es nicht. Ich weiß einfach nicht, was geschehen müsste, damit der Krieg ein Ende findet. Aber obwohl oder gerade weil ich es nicht weiß, bete ich für eine bessere Welt. Nehme Gott in Anspruch. “Ach Gott, wie sehr wünsche ich, dass du etwas tust, damit Friede wird.” Dabei glaube ich nicht, dass Gott seine magische Keule schwingt und alle Bösewichte des Krieges auslöscht. Nein – so kann beten nicht funktionieren! Und doch bin ich überzeugt davon, dass es was verändert.

Und je häufiger ich zum Mittagsgebet gehe, merke ich, dass das Gebet vielmehr etwas mit mir macht. Das tägliche Bitten um das Wirken Gottes lässt mich anders zurück. Manchmal denke ich, dass es mich stärkt. Ein ander Mal ist es gerade das Gefühl der Ohnmacht laut ausgesprochen zu hören, dass ich in Bezug auf den Krieg immer wieder verspüre. Und manchmal wage ich sogar zu hoffen, dass Friede möglich ist. Dass wie weiß ich immer noch nicht.

Letzte Woche waren auch mehrmals Eltern mit ihren Kindern im Gebet. Zwei quirlige Kleinkinder im Alter von ungefähr 2 Jahren. Während wir uns also besannen und beteten, spielten die Kinder vorm Altarraum. Sie bestaunten die Kerze und liefen sogar im Kreis um den Altar herum. Soviel Lebendigkeit – und das alles, während wir beteten. Unterm (Altar)kreuz herrschte pure Lebendigkeit.

Das Kreuz und das Leben. Fast eine kleine Osterbotschaft mitten in der Passionzeit.

Und ich dachte: “Eigentlich ist es diese Lebendigkeit, die wir Menschen dem Grauen des Krieges entgegensetzen können. Aktivität und das Entdecken neuer Möglichkeiten…”

Ich werde sie weiterhin besuchen – unsere Friedensgebete. Und ich bin gespannt, was sie noch für Gedanken und Fragen in mir aufkommen lassen.

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