Schlittschuhbahn an der Johanneksenkirkko

Wir haben vor unserer Wohnung in Helsinki eine öffentliche Schlittschuhbahn. Das ist an sich hier gar nichts so besonderes, weil in der Winterzeit die Bolzplätze überflutet werden und herrlich als Schlittschuhbahn genutzt werden können. – Und das werden sie auch ganz fleißig. Jung und Alt trifft sich hier! Zu allen Zeiten des Tages sieht man Menschen auf dem Eis. Auf der Straße kommen einem nicht selten Menschen entgegen, die die Schlittschuhe lässig über der Schulter tragen. Einfach so – mal kurz übers Eis gleiten.

Aber das Eis bleibt nicht nur auf den gut begrenzten Schlittschuhbahnen. Nein – sobald es ein wenig wärmer wird und dann wieder friert, wird die ganze Straße (und Bürgersteige) zu einer einzigen Rutschpartie. Eis überall. Dann wird das Spazierengehen zu einer richtigen Herausforderung. Schnell mal von A nach B laufen geht dann nicht mehr. Langsam und bedacht muss man einen Fuß vor den Nächsten setzen, damit man nicht den Halt verliert und unsanft auf dem Boden landet. Natürlich haben die gut ausgestatteten Menschen in Helsinki Spikes, die sie sich unter die Schuhe klemmen können. Dann ist die Wahrscheinlichkeit auszurutschen nicht mehr so groß. Aber trotzdem – so oder so – beim Laufen ist Vorsicht geboten!

Und das sollte eigentlich keine Schlittschuhbahn sein!

In unserer Gemeinde haben sich in den letzten Wochen Pastor*innen aus Deutschland für die nächste Wahl des Hauptpastors oder der Hauptpastorin vorgestellt. Die Pastoren sind deutsche Pfarrer oder Pfarrerinnen, die für mindestens 6 Jahre von der EKD ins Ausland gesendet werden. Immer wenn eine neue Pfarrperson kommt, wird diese nach vorheriger Vorstellung und Gesprächen von den Gemeindemitgliedern gewählt. Solche Vorstellungswochenenden hatten wir also in den letzten Wochen. Bei allen kam früher oder später die Frage nach dem Führungsstil auf. Während ich also hier meine Erfahrungen zu Bewerbungen mache, heißt es gleichzeitig auch immer wieder für mich nach Deutschland zu schauen, um meinen Pfarrdienst auf Probe vorzubereiten. Auch das bringt das Spezialvikariat im Ausland mit sich – sowohl hier zu sein als auch gleichzeitig schon wieder mit einem Fuß in Deutschland zu stehen.

Auf meinem Heimweg von den Gesprächen schlitterte ich über das Eis. Die Führungsfrage ließ mich nicht los. Noch sind meine Gemeindeführungserfahrungen gering. Aber eines habe ich mir für die Zukunft gemerkt: Es geht viel ums Hinhören und die Reflexion darüber. Was und wen höre ich in der Gemeinde? Wo sind die lauten Stimmen und aber auch, wo sind die Leisen? Alle sollten wahrgenommen werden. Und dann ist es die Aufgabe der Führung, die unterschiedlichen Stimmen wertzuschätzen und vermittelnd aufzutreten. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht immer leicht sein wird und ohne Konflikte abläuft. Aber hier in Finnland habe ich gelernt, dass wenn der Boden zentimeterweise mit Eis bedeckt ist und Rutschgefahr besteht, die Menschen sich zu helfen wissen. Denn es gibt Spikes oder Schlittschuhe. Wenn also Situationen auf mich zukommen, die die Gefahr des Ausrutschens mit sich bringen – gerade auch in Bezug auf Gemeindeführung – dann ist es gut zu wissen, dass es Hilfsmittel gibt… Entweder ich schnalle mir Spikes unter die Füße, die mir Festigkeit am Boden geben. Dann bin ich selbst die Person, die Halt für die Situation gibt. Oder aber ich ziehe mir Schlittschuhe an, die mich über das Eis gleiten lassen. Dann geht es weniger um Standhaftigkeit als vielmehr ums Umdenken. Die Schlittschuhe bringen neue Energie und verändern den Blickwinkel. Ich muss nicht fest stehen, sondern darf in Bewegung bleiben. Mit der Gemeinde gemeinsam übers Eis gleiten. Gemeinsam in Bewegung. Gemeinsam im Schwung – Was ein schönes Bild!

Ich glaube, ich gehe mir gleich mal Schlittschuhe besorgen! Vielleicht kann ich sie ja bald schon gebrauchen!!!